Die Jüchener Sozialdemokraten hielten ihre traditionelle Versammlung zum Jahresschluss in diesem Jahr am 9. Dezember in der Gaststätte Welters in Otzenrath ab. Mehr als 50 Mitglieder, Angehörige und Gäste waren gekommen, um den politischen Jahresrückblick bei einem Gänseessen in vorweihnachtlicher Stimmung entgegen zu nehmen und zu diskutieren.
Der Vorsitzende, Holger Tesmann, wies in seinen Eröffnungsworten auf die schlimme finanzielle Lage der Gemeinde hin, die ein noch nie da gewesenes Defizit im Haushalt von 10 Mio € in 2011 und 8 Mio € in 2012 erwartet. Der brutale Rückgang bei den Gewerbesteuereinnahmen um 6-7 Mio € ist eine direkte Folge von Berliner Regierungsmaßnahmen. Es bleibt unverständlich, wieso die Berliner CDU/FDP-Koalition eine Steuer für Energieunternehmen (AKW-Brennelementesteuer) aushandeln konnte, die vom Gewinn als Betriebskosten absetzbar ist und so die Gewerbesteuern betroffener Kommunen einbrechen lässt. Die immer wieder mit Selbstverständlichkeit vorgetragenen Wünsche der Bürger können aber von der Gemeinde nicht auf Dauer mit Schulden finanziert werden.
Der Hauptredner des Abends war Dr. Fritz Behrens MdL, Innenminister a.D., Jüchener Bürger, Präsident der Kunststiftung NRW.
Behrens wies mit Befriedigung auf die erfolgreiche Arbeit der rot-grünen Landesregierung von Hannelore Kraft hin. Trotz Minderheitsregierung verliert sie kaum eine Abstimmung im Landtag. Dazu ist die Furcht der Opposition von CDU, FDP und Linken vor Neuwahlen zu groß. Nachdem die vergangene Regierung Rüttgers eine Politik verfolgte, die das Land zu Lasten der Kommunen entschuldete und diese weiter in ihre Defizite trieb, hat die Kraft-Regierung das Steuer herumgelegt und geht daran, mit einem Stärkungspakt Stadtfinanzen im ersten Schritt 300 Mio € für 2011, 350 Mio € für 2012 bereit zu stellen. Damit wird zuerst den 34 überschuldeten Kommunen (davon 17 mit SPD-Bürgermeistern und 14 mit CDU-Bürgermeistern), deren gesamtes Anlagevermögen sozusagen den Banken gehört, in einem strengen Sanierungsplan unter die Arme gegriffen. Bis 2020 sollen dafür 5,85 Mrd € ausgegeben werden.
Noch bedeutender ist der nordrhein-westfälische Schulfrieden von 2011, der unter dem Druck der Bevölkerungsentwicklung eine 50jährige, mehr ideologische als pädagogische Auseinandersetzung um die rechten Schulformen beendete. Hiervon profitiert besonders die Gemeinde Jüchen, die im kommenden Schuljahr als erste im Rhein-Kreis Neuss eine Sekundarschule einrichten wird und so allen jungen Menschen der Gemeinde ein geeignetes und fortschrittliches Bildungsangebot auf Dauer machen kann.
In seiner derzeitigen Funktion als Vorsitzender im Kulturausschuss des Landtags arbeitet Fritz Behrens daran, die kulturpolitischen Leitlinien der SPD von 2009 umzusetzen und den verfassungsrechtlichen Kulturauftrag der Kommunen auch finanziell abzusichern.
Behrens betonte, dass die Landtagsfraktion mit großem Arbeitseinsatz und in konfliktfreier Kooperation mit dem Koalitionspartner die anstehenden Probleme angeht. Die Landesregierung hat bereits jetzt nach fast 2 Jahren alle wesentlichen Punkte des SPD-Wahlkampfprogramms und der Koalitionsvereinbarung mit Bündnis 90/Die Grünen abgearbeitet.
In der nachfolgenden lebhaften Diskussion meldete sich auch Wolfgang Kliege (72) zu Wort, Bildhauer und Dokumentarfilmer aus Wallrath und seit über 25 Jahren Sozialdemokrat. Er präsentierte sein 400 Seiten starkes Buch „Schürfstelle – Natur, Traum, Leben, Kunst“ mit 100 Fotos von Personen und Kunstwerken. Der Text zieht die Summe seines künstlerischen Lebens in autobiographischen Notizen, Künstlerporträts, politischen Essays, Reiseberichten und Naturbeobachtungen. Wolfgang Kliege las einige bemerkenswerte Passagen daraus vor und überreichte sein Buch mit einer Widmung dem SPD-Gemeindeverband zu Händen seines Vorsitzenden.
Kurz vor dem Nachtisch stieß auch Bernd Scheelen MdB zur Versammlung. Er hatte vorher noch als Mitglied in den zahlreichen Vereinen seines Wahlkreises eine Karnevalssitzung (!) zu absolvieren. Scheelen zog ein sehr kritisches Resümee der zaudernden und chaotischen Europapolitik der Kanzlerin Merkel in der so bedrohlichen Phase der Haushaltskrisen in den Euroland-Staaten. Ermutigendes wusste er vom soeben beendeten SPD-Bundesparteitag in Berlin unter dem Motto „Demokratie und Gerechtigkeit“ zu berichten. 8 erfolgreiche Landtagswahlen im Rücken, ein Altkanzler Helmut Schmidt, der mit 93 Jahren wieder Visionen aus der Geschichte Europas für die Zukunft entwickelt, ein einiges Führungstrio mit ihren programmatischen Reden haben das wieder hergestellte politische Selbstbewusstsein von Parteitag und Partei abgebildet.
So war die Versammlung vier Stunden lang mit viel guter Nahrung für Leib und politischem Geist bestens versorgt. Und wer die Aussagen auf dem Parteitag im Einzelnen kennen lernen will, der kann alle Reden unter www.spd.de als Video sich ansehen und –hören.
Holger Tesmann