„Große Sorge vor Nationalismus“: Dr. Fritz Behrens bezieht beim „Talk auf dem Roten Sofa“ Stellung

Der frühere NRW-Landesminister Dr. Fritz Behrens (rechts) mit dem Ortsvereinsvorsitzenden Norbert John. (Foto: Wolfgang Kaisers)

Spannende Einblicke in die „große Politik“ in Land und Bund erhielten die Besucherinnen und Besucher beim „Talk auf dem Roten Sofa“. Denn zu Gast im „Roten Salon“ der SPD Jüchen war Dr. Fritz Behrens: Als Büroleiter des NRW-Ministerpräsidenten, als Regierungspräsident und nicht zuletzt als Justiz- und Innenminister des Landes Nordrhein-Westfalen sammelte er unzählige Erfahrungen und Erlebnisse, die er in dem kurzweiligen Talk mit den Gästen teilte. Und auch Antworten auf die Fragen des Ortsvereinsvorsitzenden Norbert John, warum er vor über 50 Jahren SPD-Parteimitglied wurde und wie es ihn nach Jüchen-Damm verschlagen hat, blieb der prominente Gast beim „Talk auf dem Roten Sofa“ nicht schuldig.

Rund 35 Jahre war Fritz Behrens an maßgeblichen Stellen von Politik und Verwaltung in Nordrhein-Westfalen tätig. So wirkte  er neun Jahre als Regierungspräsident in Düsseldorf („Eine der schönsten Aufgaben, die ich je wahrgenommen habe.“) und in verschiedenen Positionen der NRW-Landesregierung, zunächst als Büroleiter und Persönlicher Referent des Ministerpräsidenten Johannes Rau, ab 1995 dann als Justizminister und von 1999 bis 2005 als Innenminister. Den „Menschenfischer“ Johannes Rau zählt Fritz Behrens denn auch zu seinen Vorbildern, stärker geprägt hat ihn jedoch der ehemalige Innenminister Herbert Schnoor, der ebenso wie er aus Niedersachsen stammte: „Er war mein Lehrmeister, mein Mentor und größtes Vorbild.“

Obwohl Dr. Fritz Behrens studierter und promovierter Jurist ist, hat ihm das Innenressort mehr zugesagt als das Justizministerium: „Innenminister war eindeutig das schönere Amt. Denn dort gab es zu meiner Zeit viel mehr spannende Aufgaben als heute. Im Innenministerium konnte man viel bewegen.“ Dem gegenüber standen viele Dinge, die ihn auch nach Feierabend nicht losließen: „Ich habe vieles aus dem Amt mit nach Hause genommen, wie Katastrophen, Flugzeugabstürze oder Polizistenmorde. Das bleibt nicht in den Kleidern hängen.“

Unterschiede in puncto Sicherheit sieht Fritz Behrens gegenüber seiner Amtszeit schon: „Es gibt heute in der Bedrohung der inneren Sicherheit eine Akzentverschiebung in Richtung politischer Extremismus. Aber Kriminalität ist immer Ausdruck des jeweiligen gesellschaftlichen Zustands.“ Der Abschied von Macht und Amt ist ihm nach seinem Bekunden überhaupt nicht schwergefallen: „Mir war immer bewusst, dass es ein Mandat auf Zeit ist, das uns vom Wähler anvertraut wurde.“

Die aktuelle Politik sieht Fritz Behrens mit kritischer Distanz: „Ich habe große Sorgen vor zunehmendem Nationalismus – überall auf der Welt und zunehmend auch in Europa. Es kommen immer mehr Nationalisten an die Macht. Europa ist ein unvergleichliches Friedenswerk. Wenn das bröckelt und die Nationalismen wieder überhand nehmen, dann sehe ich schwarz. Dann hat auch Deutschland als Nation in der Welt gegen die großen Völker keine Chance“, bezog er auf dem „Roten Sofa“ klar Stellung.

Ebenfalls große Schwierigkeiten identifiziert er in der Zersplitterung der Parlamente: „Wir werden demnächst fast nur noch mit Viererkoalitionen regieren können. Dabei auf einen Nenner zu kommen, ohne dass es nach außen wie Dissonanz wirkt, ist ein großes Problem – auch medial.“ Er wünscht sich für die Politik wieder mehr Besonnenheit: „Es ist fast unmöglich geworden, irgendetwas in Ruhe zu beraten und durchzudiskutieren – und dann zu entscheiden. Das war zu meiner Zeit besser. Ich möchte heute nicht mehr in einer solchen Funktion stecken.“

Für die Bundesregierung und den Kanzler formulierte der ehemalige Landesminister im „Roten Salon“ klare Wünsche: „Die Koalition in Berlin holt in einer äußerst schwierigen Gesamtlage das Optimum dessen raus, was derzeit möglich ist. Aber Olaf Scholz kommuniziert darüber zu wenig. Ich wünsche mir von ihm häufiger klare Kante.“ Schließlich ist er aus Überzeugung vor mehr als 50 Jahren in die SPD eingetreten – nach dem Misstrauensvotum gegen Willy Brandt 1972: „Da habe ich gedacht: Jetzt reichts! Jetzt musst du dich bekennen und etwas tun.“

Die Aussichten für seine Partei sieht er nicht so negativ wie manche andere: „Die SPD hat in über 160 Jahren schon einiges durchgestanden. Ich bin mir sicher: Die gute alte SPD wird nicht untergehen! Wichtig ist, dass wir offensiv werden und uns nicht verkriechen. Wir müssen den Menschen das Gefühl geben, dass wir ihnen zuhören und dass wir sie ernst- und wahrnehmen.“

Und wie kam er nun nach Jüchen? Daran ist seine Frau Hildegard maßgeblich beteiligt: Sie stammt aus Damm – und dort ist das Paar seit einem Vierteljahrhundert heimisch: „Wir fühlen uns in Damm sehr wohl – es ist eine richtige Oase mitten im Grünen.“

Im Juli legt der „Talk auf dem Roten Sofa“ eine kurze Pause ein, ehe es dann nach den Sommerferien weitergeht: Am Mittwoch, 28. August kommt um 19 Uhr Gregor Küpper in den „Roten Salon“. Der 41-Jährige ist Dezernent beim Rhein-Kreis Neuss, zuständig für Gesundheit, Umweltschutz, Veterinär- und Lebensmittelüberwachung sowie Tiefbau – und bietet darüber hinaus mit seiner Persönlichkeit und Vita viel Gesprächsstoff.

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