Biogasanlage in Wickrath

Es ist nicht einfach, objektive Informationen und sachliche Argumente zu vermitteln. Vorurteile statt Lösungsvorschläge werden von interessierter Seite befördert. Die verkürzten Berichte der Presse geben kein vollständiges Bild.
Die Bürgerversammlung am 19. Januar 2010 in Hochneukirch war dazu ein Musterbeispiel. Noch 2009 hatte die CDU-Fraktion mit allen Mitteln vor der Kommunalwahl gegen eine Biogas-Anlage gearbeitet – auf der Bürgerversammlung ergriff keiner ihrer zahlreich anwesenden Vertreter mehr das Wort.

Namentlich Karl-Heinz Ehms/CDU schwieg, der sich doch vor der Wahl noch laut über Gestank und Lärm solcher Anlagen beklagt hatte. Aber einen Besuch der Anlage Wassenberg lehnte er ab. Er hätte ja dann die Lehre ziehen müssen, sein in der Bevölkerung gefälliges Vorurteil aufzugeben. Jeder Gutwillige kann sich aber bei einem Besuch der Biogas-Anlagen in Neurath oder Wassenberg von ihrer Umweltverträglichkeit überzeugen.

Die ländliche Gemeinde Jüchen, Rat und Verwaltung, hat eine Verantwortung gegenüber ihren Landwirten. Deutlich genug haben ihre Vertreter das existenzielle Interesse an der Anlage betont. Niemand sollte den Landwirten sagen: Ihr könnt auf euren Feldern produzie-ren, was ihr wollt; es dorthin transportieren, wo ihr es vermarkten könnt, dürft ihr aber nicht.

Dennoch ist die Verlagerung des landwirtschaftlichen Verkehrs auf den neuen Brennpunkt hin ein ernsthaftes Problem. Hierzu nahm die SPD in der Bürgerversammlung vor allem Stellung. Jede Forderung ist berechtigt, die darauf abzielt, die Verkehrsbelastungen für Hochneukirch zu minimieren.

Das vorgelegte Verkehrsgutachten beschreibt den zu erwartenden Zustand auf den vorhandenen Zuwegen zur Anlage. Das kann aber nur die Ausgangssituation sein. Vorschläge zu ihrer Verbesserung gab es auf der Bürgerversammlung genug: Die Einbeziehung und Verlän-gerung der Grubenrandstraße; eine neue Landstraße 384n, die Hochneukirch südlich umgeht. Selbst das Gutachten deutete Ausweichmöglichkeiten an, sagte aber nicht, ob die Investoren sie auch bezahlen würden. Die SPD verlangte, dass diese Möglichkeiten konkret ausgearbeitet werden und nicht nur ein „Zückerchen“ sind, das die Bürger über die Akzeptanzhürde hilft, um danach schnell vergessen zu werden.

Ein anderes „Zückerchen“ könnte die angedeutete Kooperation zwischen Biogasanlage und Kompostieranlage sein. Davon, dass sie „zu wenig durchdacht sei“ (wie die Rhein. Post schrieb), kann keine Rede sein. Im Gegenteil! Das Verfahren einer vorgeschalteten geschlossenen Vergährung ist geeignet, die Kompostieranlage in Wanlo geruchlich zu „entschärfen“. Vorbildhaft für die hiesige Situation könnten die betreffenden Bio-Anlagen in Lindlar und Herten sein.

Bereits 2008 wurde der NVV eine solche Möglichkeit von der SPD vorgeschlagen. Ihr Antrag im Hauptausschuss im Dezember 2008, die Verwaltung solle diesbezügliche Gespräche mit den beteiligten Entsorgungsgesellschaften NVV (Biogas) und GEM (Kompostierung) führen, wurde von der CDU-Mehrheit abgelehnt. Über die SPD-Fraktion in Mönchengladbach wurde im Frühjahr 2009 diese Idee mit erläuternden Informationen dem NVV-Vorstand vorgelegt. Man kann annehmen, dass diese Initiative dazu beigetragen hat, dass die NVV derzeit die Kooperation in Wickrath auf ihre wirtschaftlich-technische Machbarkeit prüft.

Die Wickrather Anlage soll das erzeugte Biogas zu Biomethan (Stadtgas) aufbereiten und in das RWE-Netz einspeisen. Schon 2007 hatte die SPD den Antrag gestellt, zu prüfen, ob eine Belieferung des Blockheizkraftwerkes (BHKW) am Schulzentrum mit Biogas, auch im Rahmen eines „Contracting“ (d.i. unter Beteiligung von Privatfirmen) Kostenvorteile bietet. Der Standort der Biogasanlage war ausdrücklich nicht am Schulzentrum vorzusehen. Nach langer Hinhaltetaktik wurde der Prüfauftrag an die EnergieAgentur NRW schließlich erteilt, die im Mai 2009 dazu berichtete: „Das vorhandene BHKW kann optimiert werden. Der weitere BHKW-Betrieb durch einen Contractor erscheint sinnvoll. Eine Studie der NVV liegt vor.“

Biomasse-Anlage Neurath

 

Derzeit werden zwischen der NVV und der Gemeindeverwaltung Gespräche geführt, die die virtuelle Versorgung des BHKW mit Biomethan aus dem RWE-Netz betreffen.

Alle Regierungen in Bund und Land, heutzutage selbst die konservativsten, fördern den Aus-bau Erneuerbarer-Energie-Strukturen für eine langfristig erforderliche und heilsame Energie-wende. Die Anlage in Wickrath macht nicht „Hochneukirch kaputt“, wie ein überbesorgter Bürger behauptete, sondern legt den Grundstein für eine bessere Zukunft, wenn die Belastun-gen durch den Braunkohlentagebau endlich beendet sein werden.

Holger Tesmann

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